Die Forschergruppe nimmt die Arbeit auf
Mit einem Treffen aller Mitglieder hat an der Bergischen Universität Wuppertal im Dezember 2016 die Arbeit der Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) "The Epistemology of the Large Hadron Collider" offiziell begonnen. Ziel des internationalen Teams aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter Leitung der Bergischen Universität ist es, die Forschungen an der "größten Forschungsmaschine der Welt", dem Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Zentrum für Teilchenphysik CERN in Genf, aus philosophischer, historischer und soziologischer Sicht zu untersuchen.
Für Prof. Dr. Gregor Schiemann, Sprecher der Forschergruppe und Professor für die Geschichte und Theorie der Wissenschaften an der Bergischen Universität, finden die Forschungen „in einer vielleicht wegweisenden Phase der Teilchenphysik statt. Es könnte in den nächsten Jahren ein Durchbruch zu einem neuen Verständnis der Grundlagen der Materie stattfinden. Das andere Extrem wäre, dass das Standard Modell trotz höherer Energie und Genauigkeit bestätigt würde. Vor diesem Hintergrund werden wir Forschung im Spannungsfeld von Normalwissenschaft und wissenschaftlicher Revolution in Echtzeit analysieren.“ Dies würde es ermöglichen, wichtige Beiträge zu einigen aktuellen Fragen der Wissenschaftsphilosophie zu liefern.
In der Forschergruppe arbeiten Expertinnen und Experten aus der Wissenschaftsphilosophie, -soziologie, -geschichte und aus der Physik aus Deutschland, Österreich und den USA zusammen. Die sechs Projekte der Forschergruppe werden geleitet von Prof. Dr. Robert Harlander (Theoretische Physik, RWTH Aachen), Prof. Dr. Dr. Rafaela Hillerbrand (Philosophie, KIT Karlsruhe), Prof. Dr. Michael Krämer (Theoretische Physik, RWTH Aachen), Prof. Dr. Dennis Lehmkuhl (Philosophie, Caltech/USA), Prof. Dr. Peter Mättig (Experimentelle Physik, Bergische Universität Wuppertal), Prof. Dr. Martina Merz (Wissenschaftssoziologie, AAU Klagenfurt/Österreich), Prof. Dr. Gregor Schiemann (Philosophie, Bergische Universität Wuppertal), em. Prof. Dr. Erhard Scholz (Wissenschaftsgeschichte, Bergische Universität Wuppertal), Prof. Dr. Friedrich Steinle (Wissenschaftsgeschichte, TU Berlin), Prof. Dr. Michael Stöltzner (Philosophie, Universität South Carolina/USA), Dr. Adrian Wüthrich (Wissenschaftsgeschichte, TU Berlin) und Prof. Dr. Christian Zeitnitz (Experimentelle Physik, Bergische Universität Wuppertal).
Die DFG hat dafür insgesamt rund 2,5 Millionen Euro für drei Jahre bewilligt. Die Wuppertaler Professoren erhalten davon rund 1,2 Millionen Euro Fördergelder. Es konnten hochqualifizierte junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Australien, Deutschland, Großbritannien, Kanada, Niederlanden und den USA gewonnen werden. Vier von ihnen forschen an der Bergischen Universität. Die Wuppertaler Hochschule unterstützt die Forschergruppe vielfältig, insbesondere durch eine Juniorprofessur für die Philosophie der Physik.
Das Konzept der Forschergruppe knüpft an den Erwartungen der PhysikerInnen auf einen tiefgreifenden Wandel in den theoretischen Fundamenten der Physik an. Es fragt nach den Grundlagen dieser Erwartungen und setzt sie zu den komplexen Bedingungen der physikalischen Forschung in Beziehung, um die Berechtigung der Erwartungen zu untersuchen. Es fasst die Komplexität dieser Bedingungen als eine Herausforderung des Strebens nach immer einfacheren und umfassenderen Beschreibungen der Natur auf. Die Forschergruppe beabsichtigt, diese neuen epistemischen Bedingungen im Wesentlichen am Fallbeispiel des Large Hadron Colliders (LHC) des europäischen Zentrums für Teilchenphysik CERN in Genf zu studieren.
Die Forschergruppe knüpft an einer engen und erfolgreichen Interaktion und Kooperation zwischen WissenschaftsphilosophInnen, -soziologInnen und -historikerInnen mit PhysikerInnen über einen Zeitraum von mehreren Jahren an. Diese Kooperation hat zu drei DFG-geförderten Projekten geführt und beträchtliche internationale Beachtung erfahren. Die Forschergruppe führt diese interdisziplinäre Kooperation fort, erneuert sie aber zugleich auch in signifikanter Weise. Während sie sich weiterhin auf Fragen der Philosophie der Physik und der Wissenschaft konzentriert, bezieht sie auch die historische Entwicklung der physikalischen Erkenntnis und die Einbettung in soziale Kontexte ein. Indem die Forschergruppe die Perspektiven dieser unterschiedlichen Disziplinen in einem Vorhaben integriert, eröffnet sie neue Wege des Verständnisses der Produktion der wissenschaftlichen Erkenntnis und seiner Struktur in der Teilchenphysik. Die Projekte der Forschergruppe gliedern sich in zwei Cluster. Cluster A fokussiert sich auf den Wandel in den theoretischen Grundlagen der Teilchenphysik und besteht aus drei Projekten:
Geschichte des Konzeptes der virtuellen Teilchen (A1), Hierarchie-, Feinabstimmungs- und Natürlichkeitsproblem (A2), Zusammenhang von LHC und Gravitationstheorie (A3). In ebenfalls drei Projekten thematisiert Cluster B die komplexe Praxis der Teilchenphysik: Auswirkung von Computersimulation auf den epistemischen Status von Daten (B1), Modellbildung und -dynamik (B2), wissenschaftssoziologische Untersuchung der Produktion von Neuem und der Sicherung von Glaubwürdigkeit (B3). Jedes Projekt wird von mindestens einer Physikerin/einem Physiker und einer Vertreterin/einem Vertreter einer wissenschaftsreflexiven Disziplin geleitet. Vier der zehn der ProjektleiterInnen sind an der Bergischen Universität Wuppertal lokalisiert, an der etwas mehr als Hälfte der ProjektmitarbeiterInnen beschäftigt sein sollen.
Neben den Tätigkeiten der Projekte und ihrer Zusammenarbeit in der Forschergruppe sind in den ersten drei Jahren die Ausrichtung einer Konferenz und eine weitere internationale Frühlingsschule zu Philosophie und Teilchenphysik vorgesehen.
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